Inflation bezeichnet die Veränderung des allgemeinen Preisniveaus. Monatlich wird die Inflationsrate als Änderungsrate eines Index berechnet, der die Kosten für den Konsum von Waren und Dienstleistungen eines repräsentativen Haushalts nachvollzieht. In den vergangenen Monaten ist die Inflationsrate auf Niveaus gestiegen, die wir lange nicht mehr gesehen hatten: In der Eurozone lagen die Preise zuletzt 3,4 % über dem Vorjahr, in den USA sogar 5,4 %.
Verschiebungen von Angebot und Nachfrage
Wie alle Preise ist auch das allgemeine Preisniveau durch Angebot und Nachfrage bestimmt, jedoch geht es hier um gesamtwirtschaftliche Größen. Eine Änderung des Preisniveaus kann somit auf Veränderungen der Angebots- und Nachfrageseite zurückgeführt werden. Der Ausbruch der Coronapandemie im vergangenen Jahr hat zu einem plötzlichen Einbruch der globalen Wirtschaftsaktivität geführt. Regierungen überall auf der Welt starteten riesige Konjunkturprogramme. Zentralbanken nahmen Anleihenkäufe wieder auf oder weiteten sie aus. Diese Maßnahmen führten zu einer schnellen Erholung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Die Angebotsseite hingegen konnte mit dieser schnellen Erholung nicht Schritt halten. Lieferketten waren und sind durch globale, Corona-bedingte Logistikprobleme und den temporären Produktionsstillstand in asiatischen Fabriken gestört. Zusätzlich haben sich Konsumgewohnheiten während der Pandemie nachhaltig verändert. Es werden mehr Güter gekauft und weniger Dienstleistungen nachgefragt. Viele Unternehmen waren auf diese Veränderungen nicht vorbereitet.
Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage hat sich schnell erholt, während die Angebotsseite weiterhin eingeschränkt ist, solange die Lieferkettenprobleme nicht gelöst sind. Hohe Nachfrage, die auf ein beschränktes Angebot trifft, führt aber immer zu steigenden Preisen. Genau dies können wir aktuell beobachten. Hinzu kommen steigende Energiepreise, die zu einer zusätzlichen Belastung führen. Dies kann sogenannte Zweitrundeneffekte nach sich ziehen: Unternehmen erhöhen die Verkaufspreise für ihre Güter und Arbeitnehmer verlangen einen Inflationsausgleich in Form höherer Löhne.
Inflation bald wieder auf Normalniveaus?
Ich sehe das Risiko, dass die Inflation länger erhöht bleiben könnte als zunächst angenommen. Aber die Lieferkettenprobleme dürften sich nach und nach auflösen. Frachtraten im globalen Schiffsverkehr scheinen gerade ihren Höhepunkt zu durchschreiten. Aktuelle Monat-gegenüber-Vormonat-Inflationsraten bewegen sich schon wieder auf normalen Niveaus. Der auslaufende Basiseffekt (der Effekt hoher Inflationsraten gegenüber dem Vorjahresmonat, aufgrund des pandemiebedingt sehr niedrigen Preisniveaus im letzten Jahr) wird die Inflationsraten in den kommenden Monaten sinken lassen. Ich erwarte außerdem, dass Energiepreise nur noch wenig ansteigen und Anfang nächsten Jahres wieder sinken werden. Am bedeutendsten dürfte sein, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage schon beinahe ihr Vor-Corona-Niveau erreicht hat und nur noch verhalten wachsen wird, während sich das gesamtwirtschaftliche Angebot weiter erholt.
Das bedeutet nicht, dass die Inflation zu den niedrigen Niveaus von 2020 zurückkehrt. Während eines konjunkturellen Aufschwungs ist es völlig normal, dass die Inflation anzieht. Besorgnis ist nicht angebracht, solange die Inflation mit einer Zunahme der allgemeinen wirtschaftlichen Aktivität Hand in Hand geht. Dies ist auch wichtig für die Geldpolitik: Hohes Wirtschaftswachstum sollte von einer vorsichtigen Erhöhung der Zinsen begleitet sein, um die Wirtschaft vor einer Überhitzung zu schützen und das Wirtschaftswachstum wieder auf einen gleichgewichtigen Pfad zu bringen.
Ich bin mit Blick auf 2022 von einer weiteren starken Erholung der Weltwirtschaft mit Wachstumsraten oberhalb des langfristigen Durchschnitts überzeugt. Dies ist ein gutes Umfeld für Aktien, aber auch noch rechtzeitige Investitionen in Immobilien. Die Inflationsraten können noch einige Zeit erhöht bleiben, aber das Schlimmste in Form der Beschleunigung des Preisanstiegs dürfte hinter uns zu liegen. Ich erwarte auch, dass die Zentralbanken das genauso sehen und ihre unterstützenden Maßnahmen aufrecht erhalten (EZB) bzw. sehr vorsichtig straffen (Fed), um eine harsche Marktreaktion zu vermeiden.
Ich freue mich Sie an unserem diesjährigen Mandantentag begrüßen zu können….
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