Sehr geehrte Damen und Herren,
mit unserem heutigen Newsletter stellen wir Ihnen die aktuellen Neuerungen aus dem Bereich Arbeitsrecht vor, die für Sie relevant sind.
1. Hinweispflicht von Arbeitgebern und die Verjährung bzw. der Verfall von Urlaub
Das Bundesarbeitsgericht hat mit zwei Urteilen vom 20.12.2022 (AZ. 9 AZR 245/19 sowie Az. 9 AZR 266/20) entschieden, dass offene Urlaubsansprüche nicht mehr automatisch verfallen bzw. verjähren.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich mit den beiden Urteilen die Hinweispflichten von Arbeitgebern gegenüber ihren Arbeitnehmern verschärfen.
a) Laufendes, ungekündigtes Arbeitsverhältnis bei langzeiterkranktem
Arbeitnehmer
Im laufenden Arbeitsverhältnis verfallen Urlaubsansprüche grundsätzlich mit Ablauf des 31. März des Jahres, welches auf das Urlaubsjahr folgt (Beispiel: Urlaubsansprüche aus dem Jahr 2022 verfallen nach der gesetzlichen Regelung mit Ablauf des 31. März 2023). Bei einer lang andauernden Erkrankung des Arbeitnehmers verfiel der Urlaubsanspruch (auch ohne spezielle Hinweise des Arbeitgebers) jedenfalls 15 Monate nach dem Jahr, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist (Beispiel: langfristige Erkrankung im Jahr 2021, Verfall des Urlaubsanspruchs aus dem Jahr 2021: 31. März 2023).
Dieser Grundsatz wird mit der neuerlichen Rechtsprechung des BAG in Bezug auf langzeiterkrankte Arbeitnehmer nunmehr eingeschränkt: Danach verfällt auch der Urlaubsanspruch eines langzeiterkrankten Arbeitnehmers dann nicht, wenn der Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum erkrankt ist und der Arbeitgeber diesen vor Beginn seiner Langzeiterkrankung nicht ausreichend auf seinen Urlaubsanspruch und einen möglichen Verfall hingewiesen hat. Die bisherige oben genannte Rechtslage, dass in Fällen längerer Erkrankung der Urlaub des Langzeiterkrankten jedenfalls dann verfällt, wenn er nicht 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres genommen wird, gilt damit ab sofort nicht mehr uneingeschränkt.
Künftig muss bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern zwischen zwei Fällen unterschieden werden:
– Arbeitnehmer war seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend erkrankt (Fall 1),
– Arbeitnehmer hat während des Urlaubsjahres teilweise gearbeitet (Fall 2).
Fall 1: Arbeitnehmer war seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend erkrankt
Für diesen Fall hat das BAG einschränkend festgestellt, dass der Urlaub auch bei einer fehlenden oder fehlerhaften Belehrung verfällt, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert war, seinen Urlaub anzutreten. In diesem Fall stünde fest, dass auch eine ordnungsgemäße Belehrung durch den Arbeitgeber nichts zur Inanspruchnahme des Urlaubs für dieses konkrete Urlaubsjahr hätte beitragen können.
Fall 2: Arbeitnehmer hat während des Urlaubsjahres teilweise gearbeitet
Hat der Arbeitnehmer dagegen in einem Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet, bevor er infolge der Krankheit längerfristig arbeitsunfähig wurde und hat der Arbeitgeber den Verfall-Hinweis unterlassen, scheidet ein automatischer Verfall am 31. März des zweiten Folgejahres aus.
b) Beendetes Arbeitsverhältnis
Vom Verfall des Urlaubsanspruchs zu differenzieren ist der Fall, wann ein Urlaubsanspruch verjährt. Eine Verjährung kommt nur in einem gekündigten Arbeitsverhältnis in Betracht. Hier geht es in der Regel um die sich an die Kündigung anschließende Frage, ob ein etwaiger noch bestehender Urlaubsanspruch bei Beendigung des Anstellungsverhältnisses vom Arbeitgeber noch in Geld abgegolten werden muss. Auch zu diesem Fall hat das BAG Ende vergangenen Jahres Stellung bezogen.
Grundsätzlich finden die Vorschriften über die Verjährung auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung. Allerdings beginne nach Auffassung des BAG die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nicht mit dem Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in welchem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
Festzuhalten ist jedoch, dass der Arbeitgeber im Falle des unterbliebenen Hinweises diesen nachholen kann und den Beginn der Verjährung zumindest zeitlich verzögert in Gang setzen kann.
c) Zusammenfassung
Wollen Arbeitgeber diese Folgen vermeiden, müssen sie ihre Arbeitnehmer rechtzeitig dazu auffordern, noch offene Urlaubsansprüche zu nehmen. Darüber hinaus müssen Arbeitgeber vor der drohenden Verjährung der Urlaubsansprüche ihre Arbeitnehmer warnen. Erfüllen Arbeitgeber diese Pflicht nicht, können Urlaubsansprüche auch länger als gesetzlich vorgesehen bestehen bleiben und vom Arbeitnehmer eingefordert werden.
Was müssen Sie als Arbeitgeber nun also tun?
Sie müssen Ihre Arbeitnehmer einmal im Jahr rechtzeitig und eindeutig jeden Mitarbeiter darüber informieren, dass der offene Urlaub am Ende des Bezugszeitraums verfällt, wenn er nicht genommen wird. Diese Information gegenüber den Arbeitnehmern sollte dabei eindeutig und nachweisbar (d.h. in Text- oder Schriftform) erfolgen.
2. Arbeitszeiterfassung für Mitarbeiter – was gilt?
Mit unserem Newsletter „Neues vom Bundesarbeitsgericht mit Handlungsbedarf für Sie!“ vom 22.09.2022 haben wir Sie über aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung zur Pflicht des Arbeitgebers zur Erfassung der Arbeitszeiten der Arbeitnehmer informiert.
Den Newsletter finden Sie auch nochmal hier.
Noch einmal zur Erinnerung: Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 13.09.2022 (Az: 1 ABR 22/21) entschieden, dass den Arbeitgeber eine Pflicht zur Einführung eines „objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems, mit dem die von jedem Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann“ trifft.
Vorab ist noch einmal klarzustellen, dass die Pflicht zur Einrichtung eines Zeiterfassungssystems jeden Arbeitgeber trifft. Entgegen der landläufigen Meinung trifft die Pflicht jeden Betrieb unabhängig von der Größe und der Anzahl der Mitarbeiter.
Allein aufgrund dieser Tatsache ist das Urteil für jeden Arbeitgeber mehr als praxis-relevant.
Zwischenzeitlich wurden einige Veröffentlichungen als Reaktion auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts herausgegeben. Anmerken möchten wir aber auch, dass der Gesetzgeber bislang noch nicht abschließend tätig geworden ist, sodass noch keine weitergehenden Gesetzesänderungen in Kraft getreten sind. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat in den vergangenen Tagen einen ersten Referentenentwurf mit den geplanten Gesetzesneuerungen herausgegeben. Der Referentenentwurf stieß dabei auf viel Kritik, so dass wir davon ausgehen, dass dieser noch gewisse Änderungen erfahren wird. Wir halten Sie insofern selbstverständlich auf dem Laufenden.
Wenngleich der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts keine konkreten Vorgaben dazu enthielt, wie die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen sind, ist bereits jetzt klar, dass der Arbeitgeber gewährleisten muss, dass der Beginn, das Ende, die Ruhepausen, mithin die Dauer der Arbeitszeit inklusive geleisteter Überstunden (unabhängig von der Vergütungspflicht dieser), erfasst werden müssen. Nicht ausreichend ist dagegen, dass die Arbeitnehmer ihre gearbeiteten Gesamtstunden des Tages erfassen.
Festzuhalten ist auch, dass durch den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts die Vertrauensarbeitszeit keineswegs der Vergangenheit angehört. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Vertrauensarbeitszeit gerade nicht bedeutet, dass der
Arbeitnehmer nicht an die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes gehalten ist.
Vielmehr kann der Arbeitnehmer jedoch den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit selbst bestimmen, insoweit schenkt der Arbeitgeber ihm Vertrauen.
Für Arbeitnehmer, die einer Vertrauensarbeitszeit unterliegen, bedeutet die aktuelle Rechtsprechung lediglich, dass sie nicht mehr – wie bei diesem Arbeitszeitmodell üblich – komplett auf die Erfassung ihrer Arbeitszeiten verzichten können. Aufgrund der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht ist der Arbeitgeber auch dazu verpflichtet,
Ruhezeiten sowie die Einhaltung von Pausen stichprobenartig zu kontrollieren.
Gerne stehen wir Ihnen jederzeit für weitergehende Fragen zu diesem Thema zur Verfügung, wenden Sie sich hierfür gerne und jederzeit an uns! Über unsere Zentrale,
Tel. 08841 – 676970 wird Ihr Anliegen direkt an unsere Expertinnen und Experten weitergegeben.
Ihr/e
Herr Dr. Matthias Rothammer, Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Medizinrecht, Partner
und
Frau Hanna Pachowsky, LL.M.
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht, Partnerin,
Master of Health Business Administration (MHBA),
auch im Namen aller Gesellschafter
Dr. Schauer Steuerberater-Rechtsanwälte PartG mbB
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